Gottfried Honegger

Gottfried Honegger zählt als Vertreter der Konkreten Kunst zu den wichtigsten Schweizer Künstlern des 20. Jahrhunderts. In seinem langen und bis zuletzt schöpferischen Leben schuf er ein äusserst umfangreiches Oeuvre, das alle klassischen Gattungen der bildenden Kunst umfasst: Malerei, Skulptur und Relief, Zeichnung, Collage und Druckgrafik.

Im Jahr 1917 wird Gottfried Honegger in Zürich geboren; er wächst in Sent im Engadin auf, das er stets als seine innere Heimat bezeichnet und wo er auch seine letzte Heimat gefunden hat. Zunächst absolviert er eine Ausbildung zum Grafiker und arbeitet ab 1938 erfolgreich als Werbegrafiker. Mit seinem Umzug nach Paris 1939 aber beginnt bereits sein freies künstlerisches Schaffen. Seine jüngsten Arbeiten aus dem Konvolut GOHO sind die Monotypien mit Collageelementen. Das immer noch wenig bekannte malerische Frühwerk wird zudem mit der Gruppe kleinformatiger Leinwandgemälde dokumentiert, die zellenartige Naturformen und geometrische Grundformen synergetisch vereinen.

Zahlreichen Künstlerkollegen begegnet er in diesen Jahren, wie 1946 Joan Miró; wichtiger sicher die Begegnungen mit Vordemberge-Gildewart in 1947 sowie mit Richard Paul Lohse, Max Bill und Camille Graeser. Johannes Itten beruft ihn in seiner Funktion als Direktor 1948 als Lehrer an die Kunstgewerbeschule Zürich. Im Jahr 1950 reist er erstmals nach USA und begegnet bei Richard Hülsenbeck, dem Dada-Mitbegründer, u. a. Hans Arp. Im gleichen Jahr organisiert er mit Willy Rotzler die erste umfassende Ausstellung mit Schweizer Graphik.

1958 reist er im Auftrag der Firma Geigy als Art Consultant nach New York. Durch seinen Kontakt zu Arnold Rüdlinger, Direktor der Kunsthalle Basel, lernt er dort u. a. Sam Francis, Barnett Newman, Marc Rothko Clifford Still und Alexander Calder kennen; die Galerie Martha Jackson widmet ihm eine sehr erfolgreiche Einzelausstellung. Sein Werk wird ab nun zunehmend „konkreter“ und konstruktiver. Seit 1960 wieder auch in Paris lebend, schätzt er Kontakte zu Aurélie Nemours und Marcelle Cahn, mit François Morellet verbindet ihn eine lebenslange Freundschaft ebenso wie mit dem Schriftsteller Max Frisch, der ihm das Theaterstück „Triptychon“ widmet.

Dass er 1965 auch an Ausstellungen der Gruppe ZERO teilnimmt, ist wenig bekannt. Zehn Jahre später, 1975, repräsentiert er zusammen mit François Morellet und Bernar Venet Frankreich an der Biennale von Sao Paulo und wiederum zehn Jahre später, im Jahr 1985, verleiht ihm der französische Kulturminister Jack Lang den Ordre des Arts et des Lettres.

Inzwischen hat sich das Weltbild des Künstlers längst gefestigt. In seiner Schrift „Denkanstösse“ hält er später fest: „Weil heute ... nur noch das Geld, der Gewinn, der Erfolg, die Börse zählen, möchte ich mit meinen Behauptungen belegen, dass Kunst mehr Wert gibt als Aktien, dass Kunst mehr ist als Schmuck für eine Elite, dass Kunst mehr ist als Ware. Ich möchte mit meinen Denkanstössen aufzeigen, dass die Kunst eine existenzielle Notwendigkeit für uns alle ist.“

Der kompromisslose Künstler und Freigeist, der in der Kunst einen wesentlichen, humanisierenden Faktor für unsere modernen Gesellschaften sieht, trägt mit seiner Lebensgefährtin Sybil Albers eine bedeutende Sammlung konkreter und konstruktiver Kunst zusammen und förderte damit auch Kollegen in seinem Umfeld. Als Zürich die Schenkung dieser Sammlung nicht annimmt, ist der Künstler enttäuscht. Mit der Unterstützung von Jack Lang gründen er und Sybil Albers 1990 daraufhin den „Espace de l´art concret“ in Mouans-Sartoux. Später verwirklicht der Künstler hier mit einer Malschule für Kinder seine Vorstellungen vom sozialen und pädagogischen Wert der Kunst. 1992 publiziert er aus eigenen Mitteln das von ihm entwickelte Spiel „Viseur“, mit dem Menschen jeglichen Alters spielerisch das Betrachten und Sehen erlernen sollen.

Im Jahr 2000 entschliessen sich Gottfried Honegger und Sybil Albers, ihre umfangreiche Sammlung dem französischen Staat zu schenken mit der Auflage, dass diese ständig gezeigt wird. Die Schweizer Architekten Gigon und Guyer zeichnen verantwortlich für einen Neubau im Schlossgarten von Mouans-Sartoux mit einem Malatelier für Kinder, der 2004 eröffnet wird.

"Wie dem auch sei, alle Medienbilder, alle Werbebilder sind punktuelle, vergängliche Informationen, und weil wir genug, übergenug Bilder konsumieren, muss die Kunst zurück zur Ur-Kraft: zur Form, zur Farbe." So formuliert es Gottfried Honegger in seiner Publikation "summa summarum" im Jahr 2011. Dieses Diktum, zusammen mit dem beharrlichen Glauben, dass die Kunst das "ethische Rückgrat der Gesellschaft" bilde, beschreibt in aller Kürze das Vermächtnis von Gottfried Honegger. Er wird bis zum Ende seines Lebens nicht müde werden, dies immer wieder zu bekräftigen und, wo immer er kann, seiner Überzeugung gemäss auch Taten folgen zu lassen.

Cornelia Kolb-Wieczorek